Longevity
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4.6.2025

Altern verstehen: Warum wir nicht zum Sterben programmiert sind

Ein Gespräch mit Nobelpreisträger Venki Ramakrishnan bringt neue Perspektiven auf gesunde Langlebigkeit

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In einer Zeit, in der “Anti-Aging” und “Longevity” zu Lifestyle-Marken geworden sind und der Markt für Verjüngungslösungen boomt, bringt der Strukturbiologe und Nobelpreisträger Venki Ramakrishnan eine wohltuend nüchterne, wissenschaftlich fundierte Perspektive in die Debatte: Wir sind nicht programmiert zu sterben – aber Altern ist ein natürlicher, evolutionärer Kompromiss.

Ramakrishnan, der 2009 für seine Arbeiten zur Struktur des Ribosoms mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, ist nicht nur ein führender Forscher, sondern auch ein produktiver Autor. In seinem neuesten Buch "Why We Die" geht es – wie der Name schon sagt – darum, die Dynamik zu veranschaulichen, die das Altern steuert und die allmählich und unaufhaltsam zum Tod führt.

In einem Interview mit WIRED erklärt er, warum Altern nicht das Ergebnis eines genetischen „Todesprogramms“ ist, sondern vielmehr ein Nebenprodukt der Evolution – und warum einfache Lebensstilmaßnahmen oft wirkungsvoller sind als viele experimentelle Interventionen.

1. Altern als evolutionärer Nebeneffekt

Die Vorstellung, dass unser Körper ab einem gewissen Alter „abschaltet“, hält Ramakrishnan für irreführend. Die Natur selektiert Merkmale, die bis zur Fortpflanzung von Vorteil sind. Was danach passiert – etwa wie effizient unser Organismus Zellen repariert – spielt aus evolutionärer Sicht eine untergeordnete Rolle. Deshalb investieren biologische Systeme eher in Wachstum als in langfristige Wartung.

„Es gibt kein festgelegtes Sterbeprogramm in unseren Genen – es ist vielmehr ein Versäumnis der natürlichen Selektion, über das Reproduktionsalter hinaus aktiv zu bleiben.“
– Venki Ramakrishnan

2. Die Grenzen der Modellforschung

Viele Erkenntnisse über das Altern stammen aus Studien mit Modellorganismen wie C. elegans (Fadenwurm). Während bestimmte Genmutationen dort die Lebensspanne drastisch verlängern, wären dieselben Mutationen beim Menschen oft schädlich oder tödlich. Ramakrishnan mahnt daher zur Vorsicht: Nicht jede molekulare Entdeckung lässt sich auf den Menschen übertragen. Solche Ergebnisse liefern wichtige Hinweise, aber keine fertigen Lösungen.

Diese Differenz ist zentral, um wissenschaftliche Ergebnisse richtig einzuordnen – und um zwischen Grundlagenforschung und tatsächlich anwendbarer Intervention zu unterscheiden.

3. Warnung vor Pseudowissenschaft – und überzogenen Versprechen

Ramakrishnan sieht mit Sorge, wie die Angst vor dem Altern kommerziell ausgeschlachtet wird. Von NAD+-Boostern über Telomer-Verlängerung bis zu fragwürdigen Hormontherapien – viele Angebote klingen wissenschaftlich, entbehren aber belastbarer Evidenz.

Gleichzeitig mehren sich Stimmen innerhalb der Forschung, die den Alterungsprozess nicht nur verlangsamen, sondern sogar umkehren wollen – etwa durch epigenetische Reprogrammierung, Senolytika oder Zelltherapien. Auch wenn erste Experimente vielversprechend erscheinen, sind viele dieser Ansätze bislang auf Tiermodelle oder Zellkulturen beschränkt.

„Die Wissenschaft vom Altern ist spannend – aber sie darf nicht zur Bühne für übertriebene Heilsversprechen werden.“
– Venki Ramakrishnan

Zwischen echter Innovation und spekulativen Visionen zu unterscheiden, bleibt eine zentrale Herausforderung im Umgang mit dem Thema Langlebigkeit.

4. Was wirklich hilft: Lebensstil

Die gute Nachricht: Wir sind nicht machtlos. Ramakrishnan betont, dass es robuste wissenschaftliche Belege für einfache, aber effektive Maßnahmen gibt:

  • Ausgewogene, pflanzenreiche Ernährung
  • Regelmäßige körperliche Aktivität
  • Gesunder Schlaf
  • Soziale Verbundenheit

Diese Maßnahmen wirken nicht nur präventiv gegen altersbedingte Erkrankungen, sondern unterstützen auch zelluläre Reparaturprozesse – ganz ohne genetische Eingriffe.

5. Der Wunsch nach Langlebigkeit braucht Maß und Verantwortung

Abschließend warnt Ramakrishnan vor einem unreflektierten Streben nach maximaler Lebensverlängerung. Eine Gesellschaft, in der Menschen 120 oder 150 Jahre alt werden, stelle enorme soziale, ethische und wirtschaftliche Herausforderungen dar – von Rentensystemen über Innovation bis zur Gerechtigkeit im Zugang zu Gesundheitsleistungen.

Fazit: Wissenschaft statt Wunschdenken

Das Gespräch mit Venki Ramakrishnan liefert wertvolle Impulse für eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema Langlebigkeit. Altern ist kein Fehler der Natur – sondern eine Chance, bewusster zu leben. Nicht, um ewig zu leben – sondern besser.

Wired-Artikel: “We Are Not Programmed to Die”

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In einer Zeit, in der “Anti-Aging” und “Longevity” zu Lifestyle-Marken geworden sind und der Markt für Verjüngungslösungen boomt, bringt der Strukturbiologe und Nobelpreisträger Venki Ramakrishnan eine wohltuend nüchterne, wissenschaftlich fundierte Perspektive in die Debatte: Wir sind nicht programmiert zu sterben – aber Altern ist ein natürlicher, evolutionärer Kompromiss.

Ramakrishnan, der 2009 für seine Arbeiten zur Struktur des Ribosoms mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, ist nicht nur ein führender Forscher, sondern auch ein produktiver Autor. In seinem neuesten Buch "Why We Die" geht es – wie der Name schon sagt – darum, die Dynamik zu veranschaulichen, die das Altern steuert und die allmählich und unaufhaltsam zum Tod führt.

In einem Interview mit WIRED erklärt er, warum Altern nicht das Ergebnis eines genetischen „Todesprogramms“ ist, sondern vielmehr ein Nebenprodukt der Evolution – und warum einfache Lebensstilmaßnahmen oft wirkungsvoller sind als viele experimentelle Interventionen.

1. Altern als evolutionärer Nebeneffekt

Die Vorstellung, dass unser Körper ab einem gewissen Alter „abschaltet“, hält Ramakrishnan für irreführend. Die Natur selektiert Merkmale, die bis zur Fortpflanzung von Vorteil sind. Was danach passiert – etwa wie effizient unser Organismus Zellen repariert – spielt aus evolutionärer Sicht eine untergeordnete Rolle. Deshalb investieren biologische Systeme eher in Wachstum als in langfristige Wartung.

„Es gibt kein festgelegtes Sterbeprogramm in unseren Genen – es ist vielmehr ein Versäumnis der natürlichen Selektion, über das Reproduktionsalter hinaus aktiv zu bleiben.“
– Venki Ramakrishnan

2. Die Grenzen der Modellforschung

Viele Erkenntnisse über das Altern stammen aus Studien mit Modellorganismen wie C. elegans (Fadenwurm). Während bestimmte Genmutationen dort die Lebensspanne drastisch verlängern, wären dieselben Mutationen beim Menschen oft schädlich oder tödlich. Ramakrishnan mahnt daher zur Vorsicht: Nicht jede molekulare Entdeckung lässt sich auf den Menschen übertragen. Solche Ergebnisse liefern wichtige Hinweise, aber keine fertigen Lösungen.

Diese Differenz ist zentral, um wissenschaftliche Ergebnisse richtig einzuordnen – und um zwischen Grundlagenforschung und tatsächlich anwendbarer Intervention zu unterscheiden.

3. Warnung vor Pseudowissenschaft – und überzogenen Versprechen

Ramakrishnan sieht mit Sorge, wie die Angst vor dem Altern kommerziell ausgeschlachtet wird. Von NAD+-Boostern über Telomer-Verlängerung bis zu fragwürdigen Hormontherapien – viele Angebote klingen wissenschaftlich, entbehren aber belastbarer Evidenz.

Gleichzeitig mehren sich Stimmen innerhalb der Forschung, die den Alterungsprozess nicht nur verlangsamen, sondern sogar umkehren wollen – etwa durch epigenetische Reprogrammierung, Senolytika oder Zelltherapien. Auch wenn erste Experimente vielversprechend erscheinen, sind viele dieser Ansätze bislang auf Tiermodelle oder Zellkulturen beschränkt.

„Die Wissenschaft vom Altern ist spannend – aber sie darf nicht zur Bühne für übertriebene Heilsversprechen werden.“
– Venki Ramakrishnan

Zwischen echter Innovation und spekulativen Visionen zu unterscheiden, bleibt eine zentrale Herausforderung im Umgang mit dem Thema Langlebigkeit.

4. Was wirklich hilft: Lebensstil

Die gute Nachricht: Wir sind nicht machtlos. Ramakrishnan betont, dass es robuste wissenschaftliche Belege für einfache, aber effektive Maßnahmen gibt:

  • Ausgewogene, pflanzenreiche Ernährung
  • Regelmäßige körperliche Aktivität
  • Gesunder Schlaf
  • Soziale Verbundenheit

Diese Maßnahmen wirken nicht nur präventiv gegen altersbedingte Erkrankungen, sondern unterstützen auch zelluläre Reparaturprozesse – ganz ohne genetische Eingriffe.

5. Der Wunsch nach Langlebigkeit braucht Maß und Verantwortung

Abschließend warnt Ramakrishnan vor einem unreflektierten Streben nach maximaler Lebensverlängerung. Eine Gesellschaft, in der Menschen 120 oder 150 Jahre alt werden, stelle enorme soziale, ethische und wirtschaftliche Herausforderungen dar – von Rentensystemen über Innovation bis zur Gerechtigkeit im Zugang zu Gesundheitsleistungen.

Fazit: Wissenschaft statt Wunschdenken

Das Gespräch mit Venki Ramakrishnan liefert wertvolle Impulse für eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema Langlebigkeit. Altern ist kein Fehler der Natur – sondern eine Chance, bewusster zu leben. Nicht, um ewig zu leben – sondern besser.

Wired-Artikel: “We Are Not Programmed to Die”

Experte

Münster

Dr. Ulrich Frohberger

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