Wie das Gehirn beim Fasten das Immunsystem beeinflusst
Warum der Gedanke an Hunger reicht, um Entzündungen zu reduzieren

Fasten gilt seit Jahrtausenden als Mittel zur Reinigung, Selbstheilung und geistigen Klärung. Moderne Forschung hat in den letzten Jahren belegt, dass regelmäßige Fastenzeiten Entzündungsprozesse dämpfen, die Zellreparatur anregen und die metabolische Gesundheit fördern können.
Eine neue Studie stellt nun einen überraschenden Aspekt ins Zentrum: Fasten wirkt auch, wenn wir nur glauben, dass wir fasten.
Der Kopf als Schaltzentrale
Wissenschaftler:innen der University of Manchester entdeckten, dass bestimmte Gehirnzellen – sogenannte Agouti-related Peptid-Neuronen (AgRP-Neuronen) im Hypothalamus – allein durch ihre Aktivierung das Immunsystem umstrukturieren können. Diese Neuronen senden normalerweise Hunger-Signale, wenn wir längere Zeit nichts essen. In Experimenten mit Mäusen reichte jedoch schon eine künstliche Aktivierung dieser Neuronen aus, um entzündungsfördernde Immunzellen in Milz, Knochenmark und Blut zu reduzieren – ganz ohne tatsächlichen Nahrungsentzug.
Die Ergebnisse wurden im renommierten Fachjournal Science Immunology veröffentlicht und werfen ein neues Licht auf die enge Verbindung zwischen Gehirn und Immunsystem.
Was bedeutet das für den Menschen?
Zwar wurden die Versuche bisher nur an Mäusen durchgeführt, doch die zugrunde liegenden Mechanismen könnten auch beim Menschen eine Rolle spielen. Das zentrale Nervensystem scheint demnach nicht nur passiver Beobachter, sondern aktiver Regulator von Immunprozessen zu sein – je nach emotionalem, kognitivem oder sensorischem Input.
Konkret könnte das bedeuten:
- Die subjektive Erfahrung von Fasten oder Nahrungsverzicht spielt eine größere Rolle als bisher angenommen.
- Das Gehirn könnte therapeutisch genutzt werden, um über neuronale Wege entzündliche Erkrankungen zu modulieren – potenziell sogar ohne reale Diäten oder Medikamente.
- Fasten könnte künftig auch als neuro-immunologischer Ansatz bei Krebserkrankungen, Autoimmunprozessen oder chronischen Entzündungen eine Rolle spielen.
Im Kontext der Longevity-Medizin
Die Erkenntnis passt perfekt in das Puzzle der Longevity-Forschung: Sie zeigt, wie eng kognitive Prozesse, Stoffwechselund Immunantworten verwoben sind. Damit reiht sich die Studie ein in eine wachsende Zahl wissenschaftlicher Arbeiten, die die Systembiologie des Alterns erforschen – also das komplexe Zusammenspiel von Gehirn, Darm, Immunzellen, Hormonen und Umwelt.
Bereits in früheren Studien wurde nachgewiesen, dass Fasten:
- die Autophagie anregt (Zellreinigung),
- oxidativen Stress reduziert,
- die mitochondriale Effizienz steigert,
- epigenetische Marker beeinflussen kann.
Diese neue Studie ergänzt das Bild um eine faszinierende Dimension: die Rolle des Gehirns als "Fasten-Zentrale", die physiologische Prozesse auslöst, noch bevor eine Kalorie eingespart wurde.
Fazit:
Fasten ist mehr als eine körperliche Disziplin – es ist ein neurobiologischer Zustand. Wer lernt, wie das Gehirn Hunger „denkt“, könnte künftig gezielt Einfluss auf Entzündungen, Immunsystem und möglicherweise sogar das biologische Alter nehmen.
Studien & Literaturhinweise:
- Science Immunology (2024): “Hypothalamic AgRP neurons regulate peripheral myeloid cell homeostasis in response to hunger signaling” Zusammenfassung auf scitechdaily.com
- Mind-body medicine und die Psychoneuroimmunologie – ein wachsendes Feld, das die Brücke zwischen mentalem Zustand und Immunfunktion systematisch untersucht.
- Buchempfehlung: The Inflamed Mind von Edward Bullmore – wie Depression, Stress und Entzündung zusammenhängen.
Referenzen
“Brain sensing of metabolic state regulates circulating monocytes” by Joao Paulo Cavalcanti de Albuquerque, Jenna Hunter, Rita G. Domingues, Erika Harno, Amy A. Worth, Fabrizio Maria Liguori, Aurora D’Alessio, Gabriella Aviello, David Bechtold, Anne White, Simon M. Luckman, Matthew R. Hepworth and Giuseppe D’Agostino, 4 April 2025, Science Immunology. DOI: 10.1126/sciimmunol.adr3226
Publiziert
30.5.2025
Kategorie
Science
Experte
Fasten gilt seit Jahrtausenden als Mittel zur Reinigung, Selbstheilung und geistigen Klärung. Moderne Forschung hat in den letzten Jahren belegt, dass regelmäßige Fastenzeiten Entzündungsprozesse dämpfen, die Zellreparatur anregen und die metabolische Gesundheit fördern können.
Eine neue Studie stellt nun einen überraschenden Aspekt ins Zentrum: Fasten wirkt auch, wenn wir nur glauben, dass wir fasten.
Der Kopf als Schaltzentrale
Wissenschaftler:innen der University of Manchester entdeckten, dass bestimmte Gehirnzellen – sogenannte Agouti-related Peptid-Neuronen (AgRP-Neuronen) im Hypothalamus – allein durch ihre Aktivierung das Immunsystem umstrukturieren können. Diese Neuronen senden normalerweise Hunger-Signale, wenn wir längere Zeit nichts essen. In Experimenten mit Mäusen reichte jedoch schon eine künstliche Aktivierung dieser Neuronen aus, um entzündungsfördernde Immunzellen in Milz, Knochenmark und Blut zu reduzieren – ganz ohne tatsächlichen Nahrungsentzug.
Die Ergebnisse wurden im renommierten Fachjournal Science Immunology veröffentlicht und werfen ein neues Licht auf die enge Verbindung zwischen Gehirn und Immunsystem.
Was bedeutet das für den Menschen?
Zwar wurden die Versuche bisher nur an Mäusen durchgeführt, doch die zugrunde liegenden Mechanismen könnten auch beim Menschen eine Rolle spielen. Das zentrale Nervensystem scheint demnach nicht nur passiver Beobachter, sondern aktiver Regulator von Immunprozessen zu sein – je nach emotionalem, kognitivem oder sensorischem Input.
Konkret könnte das bedeuten:
- Die subjektive Erfahrung von Fasten oder Nahrungsverzicht spielt eine größere Rolle als bisher angenommen.
- Das Gehirn könnte therapeutisch genutzt werden, um über neuronale Wege entzündliche Erkrankungen zu modulieren – potenziell sogar ohne reale Diäten oder Medikamente.
- Fasten könnte künftig auch als neuro-immunologischer Ansatz bei Krebserkrankungen, Autoimmunprozessen oder chronischen Entzündungen eine Rolle spielen.
Im Kontext der Longevity-Medizin
Die Erkenntnis passt perfekt in das Puzzle der Longevity-Forschung: Sie zeigt, wie eng kognitive Prozesse, Stoffwechselund Immunantworten verwoben sind. Damit reiht sich die Studie ein in eine wachsende Zahl wissenschaftlicher Arbeiten, die die Systembiologie des Alterns erforschen – also das komplexe Zusammenspiel von Gehirn, Darm, Immunzellen, Hormonen und Umwelt.
Bereits in früheren Studien wurde nachgewiesen, dass Fasten:
- die Autophagie anregt (Zellreinigung),
- oxidativen Stress reduziert,
- die mitochondriale Effizienz steigert,
- epigenetische Marker beeinflussen kann.
Diese neue Studie ergänzt das Bild um eine faszinierende Dimension: die Rolle des Gehirns als "Fasten-Zentrale", die physiologische Prozesse auslöst, noch bevor eine Kalorie eingespart wurde.
Fazit:
Fasten ist mehr als eine körperliche Disziplin – es ist ein neurobiologischer Zustand. Wer lernt, wie das Gehirn Hunger „denkt“, könnte künftig gezielt Einfluss auf Entzündungen, Immunsystem und möglicherweise sogar das biologische Alter nehmen.
Studien & Literaturhinweise:
- Science Immunology (2024): “Hypothalamic AgRP neurons regulate peripheral myeloid cell homeostasis in response to hunger signaling” Zusammenfassung auf scitechdaily.com
- Mind-body medicine und die Psychoneuroimmunologie – ein wachsendes Feld, das die Brücke zwischen mentalem Zustand und Immunfunktion systematisch untersucht.
- Buchempfehlung: The Inflamed Mind von Edward Bullmore – wie Depression, Stress und Entzündung zusammenhängen.
Experte
Referenzen
“Brain sensing of metabolic state regulates circulating monocytes” by Joao Paulo Cavalcanti de Albuquerque, Jenna Hunter, Rita G. Domingues, Erika Harno, Amy A. Worth, Fabrizio Maria Liguori, Aurora D’Alessio, Gabriella Aviello, David Bechtold, Anne White, Simon M. Luckman, Matthew R. Hepworth and Giuseppe D’Agostino, 4 April 2025, Science Immunology. DOI: 10.1126/sciimmunol.adr3226